Chronik der Freiwilligen Feuerwehr Großthiemig

 

Der Brandsonntag von 1920

 

Der Großthiemiger Brandsonntag von 1920
von M. K. Fitzkow

Im Juni 1960 sind 40 Jahre seit dem größten Brandunglück verflossen, welches mit Ausnahme des Kriegsbrandes von Plessa im April 1945, in diesem Jahrhundert eine Heimatgemeinde betroffen hat.
Der 13. Juni 1920 war ein sonniger, aber ungewöhnlich stürmischer Sonntag. Die Bauern waren bei der Heuernte und hatten ihre Not, die vom Sturm zerzausten Heuschober zusammenzuhalten. Auch auf den Schradenwiesen mühten sich überall die von Hirschfeld und Großthiemig, und in den Dörfern war die Stille des sommerlichen Sonntagvormittags.
Nach ½ 12 Uhr schlugen Flammen aus den Gebäuden des Häßlich’schen Hofes im Mitteldorf von Großthiemig, der erst vor weniger Zeit von dem Bauern Gustav Haussmann aus Selle bei Krakau gekauft worden war. Der Sturm trieb aus den Dächern lodernde Flammen zu den Nachbargehöften hinüber, die Glut raste von Gebäude zu Gebäude, übersprang einzelne Gehöfte, und in kurzer Zeit standen nicht nur Höfe im Mitteldorf, sondern auch die rechte Seite des Oberdorfes und der Großenhainer Straße in vollem Feuer. Die Bauern des Oberdorfes waren, soweit sie sich nicht auf dem Felde befanden, bei den Löscharbeiten im Mitteldorf behilflich und fanden bei ihrer Heimkehr die eigenen Höfe als rauchende Trümmer vor. Nach und nach trafen auch die Feuerwehren von Hirschfeld, Ortrand, Frauwalde, Gröden, Plessa, Blochwitz, Strauch und Elsterwerda in den brennenden Großthiemig ein, von dem her gewaltige Rauchwolken über das ganze Schradengebiet trieben. Immer wieder fachte der Sturm neue Brandherde an, und erst am späten Nachmittag gelang es, das feurige Element niederzuzwingen. 33 Gehöfte des Dorfes wurden vom Feuer betroffen, bei zehn Gehöften brannten Wohnhäuser und Ställe ab, bei den übrigen die Ställe und Scheunen. Bei zwei Gehöften waren sämtliche Gebäude in Asche gelegt.
Fast die gesamten Erntevorräte und die Wohnungseinrichtungen der heimgesuchten Höfe wurden vernichtet, einiges Vieh kam in den Flammen um. Glücklicherweise waren keine Menschenverluste zu beklagen.
In der folgenden Nacht ließ der Sturm nach. Es war unheimlich anzusehen, wie auf den Brandstellen überall im Dorf die Glut leuchtete und hier und dort erneut Flammen aufloderten. Am nächsten Tag bot dieses Dorf mit den schwelenden Trümmern und dem verkohlten Gebälk der zusammengestürzten Gebäude ein trostloses Bild. In dem Brandschutt lagen die ausgeglühten Eisenteile der zahlreichen verbrannten Maschinen, Geräte und Motoren.
Die Ursache des verheerenden Brandes wurde nie völlig klargestellt. Die zunächst bestehende Vermutung einer böswilligen Brandstiftung war nicht zu beweisen.
Schließlich sprach vieles dafür, dass spielende Kinder das Feuer angelegt hatten. Nach tiefer Niedergeschlagenheit standen die Bauern vor den rauchenden Resten ihrer einstigen Heimstätten, zehn Familien hatten allen Hausrat und ihre Kleidung und Wäsche verloren. Viele tränen flossen um liebgewordenes Gut, auch um Bilder, Bücher und Erinnerungsstücke, die unersetzlich waren.
Dazu kam, dass in diesem Jahr nach dem ersten Weltkrieg der Wert der deutschen Mark ständig im Sinken begriffen war. Die Papiergeldflut stieg an und alle Gegenstände verteuerten sich von Woche zu Woche. Viele der Abgebrannten hatten ihre Gebäude zum Friedenswert versichert und in der Meinung, dass die höhere Steuern nach sich ziehen könnte, die Nachversicherung für die gestiegenen Preise unterlassen. Mehre Gebäude und der Hausrat fast aller Familien war überhaupt nicht versichert.
So wurde der Gesamtschaden des Feuers nach den damaligen Preisen auf zwei Millionen Mark beziffert. Die Landfeuersozietät konnte aber wegen der nachlässigen Versicherung nur insgesamt 120 000 Mark auszahlen, das war der Zeitwert von zwei Scheunenneubauten. Es waren auch bei dem Ausräumen der bedrohten Wohnungen Diebstähle durch dunkle Elemente vorgekommen.
Breits am 21. Juni fand eine Besprechung des Kreisbauamtes mit den abgebrannten Besitzern über den Wiederaufbau des Dorfes statt. Ein Teil der betroffenen wollt erst im nächsten Frühjahr wieder aufbauen, sie behalfen sich notdürftig, indem sie bei anderen Bauern untergekommen waren. Bei 12 Besitzern musste der Wiederaufbau ins Werk gesetzt
werden. Viele der abgebrannten Bauern hatten bereits begonnen, neben ihrer Feldarbeit im eigenen Grauwackesteinbruch bei Brößnitz zu brechen.
Die große Not des Dorfes Großthiemig weckte im Kreis und darüber hinaus die Bereitwilligkeit zur Hilfe, wenn diese auch zuweilen seltsam anmutenden Formen betätigten. Der preußische Minister für Volkswohlfahrt sagte eine finanzielle Aufbauhilfe zu, Baumaterial stand ausreichend zur Verfügung. Der Landrat erließ einen Aufruf an die Kreisbevölkerung zur Sammlung von Geld, Heu, Stroh, Getreide, und Hausrat; es wurde reichlich gegeben, aber das Unglück von Großthiemig wurde auch Vorwand zur Veranstaltung von “Wohltätigkeitsabenden”, bei denen vor allem Veranstalter seinen Verdienst fand. Am 17. Juni 1920 berichtete das “Kreisblatt” aus Liebenwerda:
“Das gestrige Wohltätigkeitskonzert im Wäldchen zum Besten der vom Brandunglück geschädigten Großthiemiger hatte eines guten Besuches zu erfreuen. Das Salomorchester füllte den prächtigen Sommerabend aus durch Vortrag bekannter einschmeichelnder Komponisten, während der jugendliche Komiker vom Städtebundtheater, Reimers, heitere Lieder zur Laute und humorvolle Rezitationen bot. Der Reinertag des Konzertes beträgt 80 Mark.”
Oder unter dem 19. August:
“Als Ergebnis der Wohltätigkeitsveranstaltung für die Abgebrannten von Großthiemig hat der Direktor des Städtebundtheaters die hübsche Summe von 195,30 Mark an den stellvertretenden Landrat abführen können.”
Aber in dieser Zeit kosteten ein Zentner Zement 30 Mark, eine eiserne Wagenachse 80 Mark, ein Paar Männerschuhe 160 Mark, ein Hemd 70 Mark und ein Pfund Margarine 12 Mark.
So haben die Großthiemiger wohl nur ihre Sachspenden wirklich geholfen, denn die wenigen Mark, welche die Veranstalter von ” Wohltätigkeitskonzerten” aus ihren Einnahmen für einen “guten Zweck” abzweigten, reichten für eine Wagenachse oder ein Paar Schuhe.
Großthiemig hat sich wieder aus der Asche erhoben. Es finden sich immer Wege, ein Unglück zu überwinden, wenn Wille und zähe Tatkraft diese Wege suchen und der Mensch nicht verzagt.

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